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Großherzogtum Hessen

In Hessen versuchte der Ballistiker Wilhelm von Ploennies noch nach der Niederlage von 1866 ein eigenes Hinterladersystem zu entwickeln, musste aber am 7. Januar 1867 konstatieren, dass "die Anschaffung neuer Hinterlader hinsichtlich der Wahl des Modells durch politische Verhältnisse und hinsichtlich der Geldmittel durch besondere Bewilligung bedingt wird."[18] Diese Verhältnisse, d.h. die Militärkonvention mit Preußen führten dann letztlich dazu, dass die hessische Infanterie noch 1867 mit dem preußischen Zündnadelgewehr M/62 ausgerüstet wurde.[19]

Die hessische Kavallerie wurde mit dem preußischen Zündnadelkarabiner M/57 ausgerüstet, zunächst ab 1867 nur 16 Mann, im darauffolgenden Jahr 76 Mann pro Schwadron. Nicht mit Karabiner bestückte Soldaten führten eine Pistole. Im Juni 1869 sollen alle Mannschaften mit dem Karabiner ausgerüstet worden sein.[20]

 

Preußischer Husar mit Zündnadelkarabiner M/57. Am sichtbaren Ring des Kolbens konnte der Karabiner am Kartuschbandolier eingehakt werden.
(Sammlung Louis Delpérier; Abbildung kann mit dem Mauszeiger vergrößert werden)

 

Großherzogtum Baden

Das Großherzogtum Baden suchte nach dem verlorenen Krieg von 1866 die älteren Waffen nach dem System Minié durch den großen Ankauf preußischer Zündnadelgewehre auszutauschen. Insgesamt 16.000 preußische Infanteriegewehre M/62 aus dem Artilleriedepot Magdeburg werden ab Mai 1867 an die badische Armee ausgeliefert.[21]  Gleichzeitig wurden zwischenzeitlich gestoppte Änderungen des alten badischen Vorderladergewehrs M/57 mit dem österreichischen Kaliber von 13,9 mm, auch „Vereinsgewehr“ genannt[22], in ein Zündnadelgewehr wieder fortgesetzt. Diese Änderungen betrafen das Aufbohren der Gewehrläufe auf das preußische Kaliber von 15,43 mm, das Neuziehen der Läufe, das Anschrauben des Zündnadelsystems sowie das Ausfüttern des Schaftes.[23]

Zur Entwicklung einer Jägerwaffe waren schon 1861 Versuche mit einem eigenen Hinterladersystem begonnen worden, das auf dem System des Engländers Terry beruhte. Aus diesen Versuchen ging die badische Jägerbüchse M/64 hervor, die damit vor dem Krieg von 1866 die einzige weitere Hinterladerwaffe neben den Dreyse-Gewehren in deutschen Armeen war. Die Jägerbüchse war in ihrer ursprünglichen Form 119 cm lang und wog etwa 4,8 kg. Die Visierreinrichtung ließ eine Schussweite bis 1.000 Schritt zu. Auch die Jägerbüchsen wurden zwischen 1867 und 1869 mit dem Verschlusssystem der preußischen Jägerbüchse M/65 ausgestattet.

 

Preußischer Jäger mit Zündnadelbüchse M/65; gut erkennbar der angelegte Visierdeckel zum Schutz.
Die Länge der Büchse betrug ohne Beiwaffe etwa 1,24 m und das Gewicht ca. 4,9 kg.
(Sammlung Hans-Dieter Zimmer; Abbildung kann mit dem Mauszeiger vergrößert werden)

 

Somit wurden Ende Dezember 1869 im Großherzogtum Baden ein Infanteriewaffenbestand mit 22.000 preußischen Infanteriegewehren M/62, 18.600 umgebauten Gewehren M/57 und 994 umgeänderten Jägerbüchsen M/64 gezählt.[24]

Die Mannschaften und Unteroffiziere der badischen Kavallerie waren noch 1870 mit ihren alten Kolbenpistolen der Modelle M/53 und M/58 ausgerüstet, an denen ein Kolben angesteckt wurde und die dadurch ein genaueres Schießen ermöglichen sollten. Erst nach Beendigung des Deutsch-Französischen Krieges wurden die Kavalleristen im November 1871 mit preußischen Zündnadelkarabineren M/57 ausgerüstet.[25]

Für die badischen Artilleristen sollten im Mobilisierungsfalle die preußischen Zündnadelkarabiner M/57 ausgegeben und ihre alten Perkussionsgewehre abgegeben werden.[26]

Königreich Württemberg

Auch die württembergischen Truppen spürten im Krieg gegen Preußen 1866 den Nachteil ihres gleichwohl präzise schießenden "Vereinsgewehrs" M/57 gegenüber den preußischen Hinterladern. Nach der Konfrontation mit dem Schnellfeuer der Preußen im Gefecht von Tauberbischofsheim am 24. Juli 1866 schrieb der Schwäbische Merkur, dass "unsere Infanterie die Wirkungen des Hinterladergewehrs kennengelernt hat, sie verlangt ein solches für den nächsten Feldzug und hat das Recht, es zu verlangen."[27]

Erste Versuche in Württemberg sollten sich auf Hinterlader fortschrittlicher Generation, die mit vollständig aus Metall bestehenden Patronen beladen werden konnten, konzentrieren. Gemeinsam mit bayerischen Offizieren wurden die Untersuchungen an mehreren Hinterladersystemen, darunter auch amerikanischer Bauart, angelegt. Da jedoch schon 1867 ein Konflikt zwischen Frankreich und Preußen drohte und die süddeutschen Staaten darunter in Mitleidenschaft treten konnten, musste das Königreich Württemberg zügiger Hinterladergewehre für ihre Armee beschaffen und waren somit letztlich auf die Unterstützung Preußens angewiesen.[28]

Mit der im Mai 1867 genehmigten Übernahme des preußischen Zündnadel-Gewehrs mussten nunmehr das preußische Reglement zum Gebrauch des Gewehrs in der württembergischen Armee implementiert werden. Wegen der nach wie vor gegebenen Abneigung gegenüber Preußen wurden jedoch keine Ausbilder in das neue Reglement aus Preußen, sondern aus dem Nachbarland Baden nach Württemberg geholt. Zunächst wurden Offiziere und Unteroffiziere mit der Nutzung des neuen Systems vertraut gemacht, ab 1. Oktober 1867 erfolgte dann die Ausbildung der Mannschaften am Zündnadel-Gewehr.[29]

Wie in Baden wurde auch im Königreich Württemberg das alte „Vereinsgewehr“ M/57 mit dem Zündnadel-System aus Preußen umgerüstet, so dass bis zum 18. Dezember 1868 insgesamt 11.000 umgebaute Exemplare ausgeliefert werden konnten.[30] In den württembergischen Vorschriften wird dieses Modell als M/67 bezeichnet.[31] Dazu sollte das in Württemberg entwickelte Modell M/68 kommen, das dem preußischen M/62 bis auf den Abzugsbügel, der größeren Länge, der veränderten Visiereinrichtung und der Messinggarnitur ähnelte. Allerdings wurde dieses Modell erst 1871 an die Truppe ausgeliefert.[32]

Mit der Übernahme des Zündnadel-Systems erhielten die früheren württembergischen Jäger den Status von Füsilieren und wurden mit dem den Gewehren M/67 ausgerüstet.

Pioniere und Mannschaften des Trains sollten mit Corps-Befehl vom 11. April 1870 mit der alten Jägerbüchse M/60, die auf das Zündnadel-System umgerüstet wurde, ausgestattet werden. Allerdings soll auch diese Waffe erst ab 1871 ausgegeben worden sein.[33] Daher dürften sie in den Deutsch-Französischen Krieg noch mit dem gezogenen Pioniergewehr M/60 mit kleinerem Kaliber 13,9 mm gezogen sein. Die Artillerie führte keine Gewehre, erhielt aber bei der Belagerung von Straßburg französische Tabatière-Gewehre, pro Batterie 30 Exemplare.[34]

Schließlich war die württembergische Kavallerie mit der gezogenen Pistole M/62, ebenfalls vom Kaliber 13,9 mm, ausgerüstet. Zudem sollten 32 Mann pro Schwadron mit dem preußischen Zündnadel-Karabiner M/57 ausgerüstet werden.[35]